Insbesondere Berufseinsteiger stellen sich häufig die Frage nach den typischen Arbeitszeiten in der Unternehmensberatung. Die Antwort darauf ist nicht so einfach zu geben.
Das Klischee sagt: Unternehmensberater sitzen Tag und Nacht beim Kunden und schlafen kaum. Deshalb schaffen die wenigsten diesen Job länger als 2-3 Jahre durchzuhalten, bevor sie in Richtung Burn-Out abdriften.
Der Vertrag sagt: Die Arbeitsverträge der meisten Unternehmensberatungen beinhalten eine Arbeitszeit von 40 Wochenstunden, wobei Überstunden in den allermeisten Fällen nicht abgerechnet oder ausgeglichen werden.
Die Wahrheit ist sehr viel komplizierter. Die tatsächlicher Arbeitszeit hängt von verschiedenen Faktoren ab:
- In welcher Unternehmensberatung man angestellt ist
Hier gilt die Faustregel: Die Arbeitszeit in der Strategieberatung ist am höchsten. Bis zu 70 Stunden pro Woche über eine längere Zeit sind hier problemlos möglich. Dabei spielt es keine größere Rolle, ob man bei einem Marktführer wie McKinsey oder BCG angestellt ist, oder in einer Boutiqueberatung. In anderen Beratungsfeldern sind Arbeitszeiten moderater, aber auch hier sollte man mit mindesten 50h pro Woche rechnen. Mittlerweile haben immer mehr Unternehmensberatungen das Thema Work-Life-Balance für sich entdeckt und versuchen mit Teilzeitmodellen u.ä. bei den Bewerbern und Mitarbeitern zu punkten. - Auf welcher Karrierestufe man sich befindet
Je weiter oben du dich in der Hierarchie befindest, mit desto mehr Arbeit musst du rechnen. Zwar verschiebt sich dein Aufgabenspektrum von der Erstellung von Analysen und Folien hin zum Führen von Mitarbeitern und Pflegen von Kundenbeziehungen. Doch die Arbeitszeit, die notwendig ist, um deinen Job gut zu machen, wird mit zunehmender Verantwortung eher steigen als sinken. - Ob man gerade einem Projekt zugeteilt (“gestaffed”) ist
Die Auslastung von Unternehmensberatern folgt Wellenbewegungen. Dies ist zum einen durch Konjunkturzyklen oder Jahreszeiten begründet. Auf der anderen Seite passen selten 2 Projekte genau hintereinander, sodass Lücken entstehen können. Während dieser Zeit sitzt der Berater “on the beach” oder “on the bench”. Dadurch sinkt oft die Wochenarbeitszeit etwas, da einem kein Kunde im Nacken sitzt. Durch das Schreiben von Artikeln, Papern und Angeboten (“Proposals”) gilt aber: Vorsicht! Der “beach” klingt stärker nach Urlaub, als es der Fall ist. Deine Vertragliche Arbeitszeit wirst du mit hoher Sicherheit trotzdem erreichen. - Für welche Art Kunden man gerade arbeitet
Kleinere, oft mittelständische Kunden, die selbst auf Management-Ebene moderate Arbeitszeiten haben, führen typischerweise auch für Berater zu einer ausgeglicheneren Work-Life Balance. Ähnliches gilt für die meisten Projekte in öffentlichen Behörden. Ein Beratungsprojekt in einem strauchelnden Großkonzern oder für einen Private Equity Kunden hingegen, wird dir vermutlich alles abverlangen, was deine wache Zeit hergibt.
Fazit: Du solltest von einer Arbeitszeit von im Schnitt 50-60 Stunden bei einem Berufseinsteiger in der Unternehmensberatung ausgehen. Markführende Consultingunternehmen oder hohe Hierarchiestufen können die Anforderungen auf 70 oder sogar mehr Stunden pro Woche treiben. Aus diesem Grund sind viele Berater Meister darin, Ihre wenige freie Zeit durchzuoptimieren (“Quality Time“), damit alle sozialen Kontakte gepflegt werden können. Nur so gelingt trotz hoher Schlagzahl eine gerade noch gesunde Work-Life-Balance und der Weg in den körperlichen oder seelischen Burn-Out kann über die Karriere hinweg vermieden werden.
Erschwerend kommt hinzu, dass Unternehmensberater nicht nur viel arbeiten, sondern auch meist unterwegs und beim Kunden sein müssen. Das übt zusätzlichen Druck auf die Themen Familie und Partnerschaft aus. Nur mit einem oder einer Partner*in, die diesen Lebensstil akzeptiert und unterstützt, ist auf lange Sicht eine gesunde Karriere in der Beratung möglich. Nicht selten sind Unternehmensberater und Unternehmensberaterinnen miteinander verheiratet.